Jahresbericht 99

 

Pressespiegel

Psychopharmakologie

psychose

Schizophrenie

 

 

 

 

 

 

Psychose

 

Psychiatrische Diagnosen, so auch die "Psychose" (Seelenkrankheit, Geisteskrankheit), sind Definitionen (bzw. Konstrukte), sie sind in keiner Weise vergleichbar mit Diagnosen in der körperlichen Medizin: "Der Begriff psychotisch hat historisch eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen erfahren, von denen keine übereinstimmend anerkannt wurde." (vgl. Sass et al., 1996, S.327)

Die Psychiater halten sich heute an die Auslegungen des Begriffs, wie er in den einschlägigen Klassifikationssystemen, demjenigen der Weltgesundheitsorganisation und demjenigen der American Psychiatric Associaton, verwendet wird. (vgl. Sass et al., 1996; Dilling et al., 1991) Beim Vorliegen der folgenden Symptome wird eine "psychotische" Störung diagnostiziert:

 

Halluzinationen, Wahnphänomene ohne Einsicht in deren pathologischen Charakter.

 

Schwere Erregungszustände, Ueberaktivität, schwerer anhaltendender sozialer Rückzug nicht infolge von Depression oder Angst.

 

Ausgeprägte psychomotorische Hemmung und katatone Störungen. (vgl. Dilling et al. 1991, S.17; vgl. Sass et al., 1996, S.327)

Weit verbreitet ist in der Psychiatrie noch immer die Ansicht, dass es sich dann um eine "Psychose" handelt, wenn sich der Untersucher nicht in den Patienten einzufühlen vermag. So wurde im bekannten "Lehrbuch der Psychiatrie von Bleuler" derjenige als "geisteskrank" oder "psychotisch" bezeichnet, den man "nicht mehr begreifen, nicht mehr nachfühlen, nicht mehr dem eigenen Wesen verwandt empfinden könne". (vgl. Bleuler, 1979, S.117; Rufer, 1997, S.21ff)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Neben diesen symptomorientierten Beschreibungen wird dann eine Psychose diagnostiziert, wenn es sich um eine schwerwiegende psychische Störung handelt, die die Bewältigung der gewöhnlichen Lebensaufgaben weitgehend verunmöglicht. (vgl. Sass et al., 1996, S.327) Im Anschluss an den deutschen Psychiater Paul Julius Moebius wird seit 1893 zwischen "endogenen" und "exogenen Psychosen" unterschieden. Die Schizophrenie und die manisch-depressive Krankheit (bzw. die affektiven Psychosen) werden als endogene Psychosen bezeichnet. Der Begriff "endogen" will besagen, dass die Ursache der Krankheit im Innern des Individuums liege. Gleichzeitig ist damit die Idee verbunden, dass die Störung auf der Grundlage einer mitgebrachten, vererbten Anlage ausbreche. Moebius stützte sich auf die Degenerationshypothese des französischen Psychiaters Benedict Augustin Morel (1809 - 1873): "Die Degenerationen sind krankhafte Abweichungen vom normalen menschlichen Typ, sind erblich übertragbar und entwickeln sich progressiv bis zum Untergang." (Ackerknecht, 1967, S. 54)

Im Lehrbuch der Psychiatrie von Bleuler wird noch 1983 festgehalten, dass "endogen" wenig mehr als "rätselhaft" bedeute. (vgl. Bleuler, 1983, S.118) Eine Aussage, die bis heute nicht korrigiert werden muss. Nach wie vor wird also der Begriff "endogen" dann verwendet, wenn die Ursache psychischer Erscheinungsbilder nicht verstanden wird. (vgl. Bleuler, 1983, S.133) Und unverändert ist auch seit den Zeiten von Morel und Moebius die Vermutung oder besser Behauptung geblieben, dass diese Störungen auf der Grundlage vererbter Anlagen entstehen würden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als exogene Psychosen bzw. akuter, exogener Reaktionstypus werden schwere, psychische Störungen bezeichnet, die als Folge körperlicher Erkrankungen wie Infektionskrankheiten, Urämie, Enzephalitis, Hirnkontusion und akuten Vergiftungen auftreten. (vgl. Bleuler, 1983, S.117)

 

 

Ackerknecht E.H. (1967). Kurze Geschichte der Psychiatrie. Stuttgart

Bleuler M. (1979). Lehrbuch der Psychiatrie, Berlin/Heidelberg/New York

Bleuler M. (1983). Lehrbuch der Psychiatrie, Berlin/Heidelberg/New York

Dilling, H. & Mombour, W. & Schmidt, M.H. (Hg).(1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10. Bern

Rufer, M. (1997). Irrsinn Psychiatrie. Bern.

Sass, H. & Wittchen, H.-U. & Zaudig, M. (1996) Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-IV. Göttingen.

Weiterführende Literatur:

Rufer, M. (1991) Wer ist irr? Bern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schizophrenie

Eine grundsätzliche und kritische Erörterung aus biologischer Sicht.
Wiener klinische Wochenschrift

Die Schizophrenie ist die Umbennenung eines Krankheitskonstrukts. (vgl. Häfner, 1982, S.14) 1899 ordnete der deutsche Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926) den Symptomen (und deren Verlauf) eines Teils seiner Patienten den diagnostischen Begriff "Dementia praecox" ("primäre" bzw. "verfrühte Demenz") zu. Der Schweizer Eugen Bleuler (1857-1939) verdrängte ab 1911 mit dem Namen "Schizophrenie" (bzw. die "Gruppe der Schizophrenien") - den er im wesentlichen für dasselbe "Patientengut" prägte - die "Dementia praecox". Die beiden Begriffe entstanden am Ende des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts auf Grund von Beobachtungen in psychiatrischen Anstalten. Heute ist es unbestritten, dass der Aufenthalt in diesen Anstalten schwerwiegende Auswirkungen auf den psychischen Zustand der Betroffenen hat. Dabei muss beachtet werden, dass damals die Patienten sehr oft lebenslänglich hospitalisiert wurden. Kraepelin und Bleuler haben damit im wesentlichen den Hospitalismus ihrer Patienten beschrieben. (vgl. Rufer, 1991, S.113f)

Die Ansichten darüber, welche Symptomatik als schizophren zu diagnostizieren ist, hat sich seit den sechziger Jahren - insbesondere in den USA - wesentlich verändert. (vgl. Feer, 1985, S. 94) Zudem "wurde bei internationalen Vergleichsstudien die Diagnose 'Schizophrenie" in den Vereinigten Staaten gegenüber Grossbritannien unvergleichlich häufiger gestellt." (Fritze, 1989, S.10)

Aufschlussreich - doch ohne Folgen - war das bekannte Experiment von David L. Rosenhan, das 1973 in der renommierten Zeitschrift "Science" publiziert wurde. (vgl. Rosenhan, 1981) Die Psychiater von dreizehn US-amerikanischen psychiatrischen Anstalten waren nicht in der Lage, "Scheinpatienten" von "echten Schizophrenen" zu unterscheiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und trotz dieser Unklarheiten hat die Psychiatrie bis heute die Idee der Vererbung der Schizophrenie nicht aufgegeben. Wie soll denn die Vererbung eines Konstruktes bewiesen werden? So sind denn auch die Zwillings- und Adoptionsstudien, die die Vererbung der Schizophrenie beweisen sollten, wissenschaftlich nicht haltbar. (vgl. Lewontin et al., 1988)

Seit einger Zeit wird mit grosser Intensität versucht, gentechnologisch
die Vererbung der Schizophrenie (und auch der Manie) nachzuweisen. Vermeintliche Erfolge dieser Forschungsrichtung erwiesen sich bald einmal als Fehlschläge. Und dennoch wird hektisch weitergeforscht. (vgl. Rufer, 1993) Um die Idee der so schwer zu beweisenden Vererbung der Schizophrenie zu retten, wurde auf den alten Begriff "Vulnerabilität" (Verletzbarkeit, Verwundbarkeit) zurückgegriffen. Nur unter ungünstigen Lebensumständen würde die vererbte Vulnerabilität zur manifesten Krankheit. (vgl. Zubin, 1977) Doch auch die Vulnerabilität ist ein hypothetisches Konstrukt. Dazu kommt, dass der Begriff Vulnerabilität in der Fachliteratur uneinheitlich definiert wird. (vgl. Rufer, 1993, S.151f)

Die Diagnose Schizophrenie wird heute dann gestellt, wenn eine psychische Störung mindestens sechs Monate andauert und mindestens während eines Monats zwei der folgenden Symptome zu beobachten sind: Wahnphänomene, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise (z.B. häufiges Entgleisen oder Zerfahrenheit), katone Symptome wie Erregung, Haltungssterotypien und negative Symptome d.h. flacher Affekt, Mutismus oder Willensschwäche. (vgl. Sass et al., 1996, S.327, 340; Dilling et al., 1991, S.96f)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es braucht zum Verständnis von Wahn, Halluzinationen, katonem Verhalten usw. den unklaren psychiatrischen Begriff der Schizophrenie nicht. Von psychoanalytischen Begriffen ausgehenden Erklärungsmöglichkeiten sollen im folgenden kurz skizziert werden: In der Regression (bzw. der psychotischen Regression) sind, wie im Traum bestimmte Kontroll-mechanismen (Ich-Funktionen) ausser Kraft gesetzt, was zu einer Wiederbelebung frühkindlicher Erlebnisweisen, Affekte und Erinnerungen führt. Regressionserscheinungen sind immer mit partiellen Realitätsverlust, Orientierungslosigkeit, Wahrnehmungsverzerrungen und oft auch mit Angst verbunden. (vgl. Kernberg, 1978, S. 162, 209; Rufer, in Vorbereitung) Beispielsweise kann die Konfrontation mit einer überlegenen (oder als überlegen erlebten) Gewalt zur Unbewusstmachung der eigenen Aggressionen, zur zunehmenden Regression und zum Verlust der Realitätskontrolle führen. (vgl. Erdheim, 1982, S.418/431) Die projektive Identifizierung, eine Frühform der Projektion, kann die Entstehung von Wahn verständlich machen: Eigene Aggressionen werden nach aussen projiziert, wodurch vergeltungssüchtige Objekte entstehen, gegen die der Betroffene sich zur Wehr setzen muss. (Kernberg, 51f/76)

Zudem ist bekannt, dass aussergewöhnliche Bewusstseinszustände (ABZ) bzw. veränderte Wachbewusstseinszustände (VWB) - klinisch nicht zu unterscheiden von der akuten paronoiden Schizophrenie - bei jedem Menschen u.a durch Reizentzug (sensorische Deprivation), Fasten, Schlafentzug und Hyperventilation auszulösen sind. (vgl. Dittrich & Scharfetter, 1987; Simoes 1994)

Die akute Schizophrenie entspricht demnach einer durch die verschiedensten psychischen Belastungen ausgelösten Regression mit ausgefallener Realitätsprüfung, bzw. einem angstvoll erlebten ABZ. Die chronische Schizophrenie wird wesentlich von den Zukunftserwartungen der Familie, der Betreuer und dem Betroffenen selbst bestimmt. Dies alles beeinflusst die für die Chronifizierung wesentliche Identifikation mit der sozialen Rolle der Geisteskrankheit (bzw. der Schizophrenie). Die intellektuell und emotional beeinträchtigenden Folgen der Langzeitverordung von Neuroleptika tragen ebenfalls zur Chronifizierung bei. Mit gutem Grund kann die chronische Schizophrenie als Artefakt bezeichnet werden. (vgl. Ciompi, 1980, S.237; Schubert, 1982, S.51)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was psychiatrische Diagnosen - und damit auch die Schizophrenie - im Grunde sind, macht der Psychiater Volker Dittmann, Mitarbeiter bei der Zusammenstellung eines der beiden anerkannten Klassifikationssysteme psychischer Störung (ICD-10, dem Diagnosesystem der Weltgesundheitsorganisation) deutlich: Er bezeichnet diese Diagnosesysteme in einem Interview einerseits als Konventionen und andererseits als politische Produkte. (vgl. Dittman, 1996, S.35)

Ciompi, L. (1980). Ist die chronische Schizophrenie ein Artefakt? - Argumente und Gegenargumente. Fortschr. Neurol. Psychiat. 48, S.237-248)

Dilling, H. & Mombour, W. & Schmidt, M.H. (Hg).(1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10. Bern

Dittmann, V. (1996) Interview in: Psychologie heute. 4. S. 34-49.

Dittrich A. & Scharfetter C. (1987). Phänomenologie aussergewöhnlicher Bewusstseinszustände. In:

Dittrich A & Scharfetter C. (Hg.) Ethnopsychotherapie. (S. 35- 43) Stuttgart.

Erdheim, M. (1982) Die gesellschaftliche Produktion von Unbewusstheit. Frankfurt am Main.

Feer, H. (1985). Biologische Psychiatrie. Stuttgart. Fritze, J. (1989). Einführung in die biologische Psychiatrie. Stuttgart.

 

 


Literaturliste

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Häfner, H. (1982) Beziehung zwischen Beziehung und Verlauf bei der Schizophrenie. In: Beckmann, H. Biologische Psychiatrie. Fortschritte psychiatrischer Forschung. (S.14-18) Stuttgart/New York.

Kernberg, O.F. (1978). Borderline-Störungen und pathologischer Narzissmus. Frankfurt a.M.

Lewontin R.C. & Rose S. & Kamin L.J. (1988). Die Gene sind es nicht... München-Weinheim.

Rosenhan D.L. (1981). Gesund in kranker Umgebung. In: Watzlawick P. (Hg.) Die erfundene Wirklichkeit. (S. 91-137) München.

Rufer, M. (1993) Verrückte Gene. Psychiatrie im Zeitalter der Gentechnologie. In: Kempker K. & Lehmann P. Hg. Statt Psychiatrie. (S.137- 155) Berlin.

Rufer, M. (1991). Wer ist irr? Bern

Rufer, M. (in Vorbereitung). Psychiatrie - Täter, Opfer, Methoden

Sass, H. & Wittchen, H.-U. & Zaudig, M. (1996) Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-IV. Göttingen.

Simoes, M. (1994). Das akute paronoide schizophrene Syndrom und veränderte Wachbewusstseinszustände (VBW): Ein Beitrag zur VWB-Hypothese. In: Dittrich A. & Hofmann A. & Leuner H. (Hg.) Welten des Bewusstseins. Band 3. Berlin.

Schubert, H et al. (1988). Zur Minussymptomatik bei chronisch schizophrenen Patienten und deren Ansprechen auf Neuroleptika. In: Bender, W. et al. Schizophrene Erkrankungen.(S.50-59), Gütersloh

Zubin, J. & Spring B. (1977). Vulnerability - A new view of schizophrenia. Journal of Abnormal Psychology. 86, S. 103-126

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Psychopharmakologie

 

 

Psychopharmaka und illegale Drogen sind psychotrope (bzw. psychoaktive) Substanzen. Es gibt keine sicheren Kriterien, die festlegen, zu welcher der beiden Gruppen eine bestimmte Substanz gehört; vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der Definition. (vgl. Rufer, 1995)

 

 

Totenkopfaffe unter Wirkung von Haloperidol, einem Neurolepika.
Die Glieder sind bizarr verrenkt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende Psychopharmakagruppen werden heute eingesetzt:

Das erste Neuroleptikum Chlorpromazin (Largactil, Megaphen) wurde 1952 eingeführt: Neuroleptika werden zur Behandlung der Schizophrenie, Manie und jeder Form von psychischer Erregung eingesetzt. Als chemischer Knebel oder Keule bezeichnet werden sie seit vielen Jahren vor allem von Psychiatrie-Betroffenen massiv kritisiert.

Die ersten Antidepressiva wurden 1957 - Iproniazid (Monamidoxidasehemmer) - und 1958 - Imipramin (Tofranil) - eingeführt: Imipramin gehört zur Gruppe der bis heute in grossem Ausmass verwendeten trizyklischen Antidepressiva. Antidepressiva dienen zur Behandlung der Depression und vieler weiterer psychischer "Störungen" wie Bulimie (Essbrechsucht), Zwangskrankheiten, Agoraphobie, Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen und psychosomatischen Beschwerden. Tranquilizer und Schlafmittel: Mit wenigen Ausnahmen werden heute ausschliesslich Benzodiazepine verschrieben. Das erste Benzodiazepin Chlordiazepoxid (Librium) wurde 1960 eingeführt. Benzodiazepine werden auch Anxiolytika (Angstlöser) genannt. Auf Grund der ersten modernen Marketingkampagne der Pharmaindustrie wurde das Benzodiazepin Diazepam (Valium) bis 1970 zum meistgekauften und gewinnträchtigsten Medikament aller Zeiten.

Lithium wurde 1949 als Psychopharmakon entdeckt. Es wird seit Mitte der sechziger Jahre zur Behandlung der Manie und vor allem zur jahrelangen prophylaktischen (vorbeugenden) Behandlung affektiver Psychosen (d.h. der manisch-depressiven Erkrankung) verwendet. Carbamazepin (Tegretol) wurde 1963 als Antiepileptikum eingeführt; seit Mitte der achtziger Jahre wird es als Mittel bei Manie und Depression sowie - wie Lithium - zur prophylaktischen Behandlung der affektiven Psychosen eingesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sämtliche heute verwendeten Psychopharmakagruppen waren Zufallsentdeckungen. In der Psychopharmakatherapie von therapeutischer Wirkung zu sprechen ist inhaltlich unbefriedigend (vgl. Langer 1983, S. 477). Bestenfalls dürfte von symptomatischer Wirkung die Rede sein. Und mit Seymour Fisher und Roger Greenberg von der New York State University muss sogar festgehalten werden, dass die therapeutische Wirkung sämtlicher heute eingesetzen Psychopharmaka wissenschaftlich nicht gesichert ist. Der Beweis, dass die beobachteten Effekte denjenigen von Placebos überlegen sind, wurde bis jetzt nicht erbracht. (vgl. Fisher & Greenberg, 1989, S.29; Fisher & Greenberg, 1993, S.349)

Klar gesichert sind dagegen die unerwünschten, gefährlichen, gelegentlich tödlichen Wirkungen dieser Psychopharmaka. Dazu gehören unter anderem intellektuelle und emotionale Defizite (vor allem Neuroleptika, Lithium), erhöhte Selbstmordneigung (Neuroleptika, Antidepressiva), Beeinträchtigung der Sexualität (Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin, Benzodiazepine) Bewegungstörungen (Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Carbamazepin), schwere Blutbildungsstörungen (Neuroleptika, Antidepressiva, Carbamazepin). Abhängigkeit und Toleranz verbunden mit schwersten Entzugserscheinungen ist bei den Konsumenten der Benzodiazepine (die in ihren Wirkungen viele Aehnlichkeiten haben mit den Opiaten Morphin, Heroin und Methadon) zu beobachten. Das Bild des heutigen Psychiatriepatienten ist geprägt von Bewegungstörungen - Auswirkung ihres Psychopharmakakonsums (insbesondere der Neuroleptika).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beachtet werden muss, dass, je tiefer die soziale Schicht und das Einkommen der betreffenden Menschen, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass psychische Störungen nicht psychotherapeutisch sondern mit Psychopharmaka behandelt werden.

Und es darf nicht vergessen werden, dass die Pharmaindustrie mit dem Verkauf all dieser Psychopharmaka Milliardenbeträge einstreicht. Verkaufsschlager sind insbesondere die Benzodiazepine und seit kurzem die Antidepressiva, die dank enormem Werbeaufwand (vor allem für die neue Gruppe der Serotoninwiederaufnahmehemmer) - wenn nicht alles täuscht - das grosse Geschäft der Zukunft werden.

 

Langer, G. (1983) Therapie mit Neuroleptika und Antidepressiva: Eine grundsätzliche und kritische Erörterung aus biologischer Sicht. Wiener klinische Wochenschrift. 95, S.474-478

Fisher,S. & Greenberg, R.P.(1989). The Limits of Biological Treatments for Psychological Distress. Hillsdale, New Jersey.

Fisher,S. & Greenberg, R.P. (1993). How Sound Is the Double-Blind Design for Evaluating Psychotropic Drugs? J Nerv Ment Dis 181, S.345-350

Rufer, M. (1995). Glückspillen - Ecstasy, Prozac und das Comeback der Psychopharmaka. München.

Weiterführende Literatur:

Rufer, M.: Irrsinn Psychiatrie – Psychisches Leiden ist keine Krankheit. Die Medizinalisierung abweichenden Verhaltens – ein Irrweg. 4. Aufl. Oberhofen 2009
http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/rufer_irrsinn.htm

Zehentbauer, J.: Chemie für die Seele – Psyche, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden. 11. Aufl. Berlin 2010
http://www.antipsychiatrieverlag.de/verlag/titel/zehentbauer.htm

Lehmann, P.: Der chemische Knebel – Warum Psychiater Neuroleptika verabreichen. 6. Aufl. Berlin 2010:

http://www.antipsychiatrieverlag.de/verlag/titel/knebel

Lehmann, P. (Hg.): Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern. 4. Aufl. Berlin 2013
http://www.antipsychiatrieverlag.de/verlag/titel/absetzen.htm

Lehmann, P. / Aderhold, V. / Rufer, M. / Zehentbauer, J.: Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika – Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks. Berlin 2017
http://www.peter-lehmann-publishing.com/buecher/neue-ad-nl.htm

Gøtzsche, P. C.: Tödliche Psychopharmaka und organisiertes Leugnen – Wie Ärzte und Pharmaindustrie die Gesundheit der Patienten vorsätzlich aufs Spiel setzen. München 2016
http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/goetzsche_psychopharmaka.htm

Mein "Schöne neue Psychiatrie". Neuausgabe. Berlin 2017
http://www.antipsychiatrieverlag.de/verlag/titel/snp.htm